„Wer möchte nicht eine Reibungslose behandlung bekommen ohne missverständnisse und komplikationen? Um das zu gewährleisten benötigt es es ein Behandlungsteam dessen Mitglieder perfekt Miteinander arbeiten und kommunizieren können” Genau dieses Ziel versucht die Paracelsus Medizinischen Universität Nürnberg mit Ihrem Interprofessionelen Longitudinalcurriculum zu erreichen. Es ist darauf ausgerichtet, Studierende aus verschiedenen Gesundheitsberufen schon frühzeitig zusammenzubringen. Dieses Jahr auf wird es einen Vortrag von Herrn Dr. Stephan Kolb auf GMA in Freiburg in Freiburg dazu geben. Der Vortrag wird am Donnerstag dem 8. August um 17:00 stattfinden. Anlässlich des Vortrages hatte ich die Möglichkeit ein Interview mit Claudia Schuck, M.A. welche spezialistin ist für Interprofessionelle Curriculums Bildungs ist zu führen.
Stellen Sie sich bitte kurz vor und beschreiben Sie Ihre Rolle im Zusammenhang mit dem `’Interprofessionellen Longitudinalcurriculum”.
Das interprofessionelle Longitudinalcurriculum Nürnberg hatte seinen Projektstart mit einer ersten Erhebung im November 2012. Die erste gemeinsame Lehrveranstaltung fand im Juni 2015 mit einem IPE Einführungstag statt. Dabei waren die ersten Medizinstudierenden an der Paracelsus Medizinische Universität Nürnberg (PMU), Pflege dual Studierende der Evangelischen Hochschule Nürnberg und Pflege-Auszubildende der Berufsfachschule für Pflege (BFS) am Klinikum Nürnberg.
Die treibende Kraft war Hr. Dr. Stefan Kolb, Leiter der Abteilung Bildung und Wissenschaft am Klinikum Nürnberg. Er erkannte bereits sehr früh die Bedeutung für interprofessionelle Ausbildungen, wie sie in angloamerikanischen und skandinavischen Ländern bereits etabliert sind.
Die seit 2014 bestehende Arbeitsgruppe Interprofessionelle Lehre setzt sich aus Führungspersonen, Lehrenden/Professoren und Praxisexperten aller beteiligten Ausbildungsberufe und Studiengängen zusammen. Alle entwickeln gemeinsam das interprofessionelle Longitudinalcurriculum, führen die Lehre durch und evaluieren kontinuierlich die Inhalte und Methoden.
Inzwischen wird das IPE-Curriculum für Medizinstudierende der PMU, Pflege-Auszubildende der BFS für Pflege und neu mit Studierenden der Hebammenwissenschaften und des Digitalen Gesundheitsmanagements der Technischen Hochschule Nürnberg School of Health angeboten.
Meine Stelle als IPE-Referentin wurde als Teilzeitstelle 2021 vom Klinikum Nürnberg geschaffen. Das Aufgabengebiet ist vielfältig und umfasst die Planung, Organisation und Durchführung der IPE-Lehrveranstaltungen, die Koordination und Moderation der Arbeitsgruppe Interprofessionelle Lehre und die Organisation und Betreuung der beiden interprofessionellen Ausbildungsstationen am Klinikum.
Ich selbst habe eine Pflegeausbildung und mehrere Jahre als Krankenschwester in der Unfallchirurgie, Inneren Medizin und in der Intensivpflege in Deutschland und in der Schweiz gearbeitet. Durch die berufliche Weiterqualifizierung zur Lehrerin für Pflegeberufe war mein weiteres Tätigkeitsfeld mehrere Jahre an Pflegeschulen u.a. am Klinikum Nürnberg. Berufsbegleitend habe ich noch zwei Studiengänge in Gesundheitswissenschaften (B.Sc.) und im Gesundheitsmanagement (B.A) absolviert. Nicht zuletzt haben Einsätze in einem Entwicklungshilfeprojekt in Papua Neuguinea und in den Flüchtlingslagern von Goma/Zaire (heute Kongo) meine Flexibilität, Offenheit für Neues und Gelassenheit in manchen Dingen bestärkt. So, dass es mir wichtig ist, mich immer wieder neu zu orientieren und unbekannte, hoffentlich innovative Wege zu beschreiten.
Was hat Sie persönlich motiviert, sich an der Entwicklung und Umsetzung des Curriculums zu beteiligen?
Bereits in den Anfangszeiten bekam ich als Lehrerin für Pflegeberufe der Pflegeschule am Klinikum Nürnberg die Chance in dem Projekt Interprofessioneller Lehre als IPE-Lehrverantwortliche für das Seminar „Notfallversorgung” mitzuarbeiten. Interprofessionelle Ausbildung nach dem Motto „voneinander-übereinander-miteinander” zu lehren hat mich gleich zu Beginn begeistert. Auch der interprofessionelle Slogan „How can they work together, if they don´t learn together” hat mich bestärkt wegweisend tätig sein zu dürfen.
Die Rückmeldungen der Studierenden und Auszubildenden nach den IPE-Lehrveranstaltungen bestätigten diese Thesen. Bis heute erfahren wir hier sehr viele positive Rückmeldungen.
2019 erhielten wir eine Förderung der Robert Bosch Stiftung Stuttgart zur Etablierung einer interprofessionellen Ausbildungsstation am Klinikum Nürnberg. Hier übernahm ich die gesamte Projektkoordination zusammen mit der Paracelsus Medizinischen Universität, der Berufsfachschule Pflege und der Abteilung für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie und der Abteilung für Gastroenterologie und Endokrinologie. Letztes Jahr konnten wir hier eine zweite interprofessionelle Ausbildungsstation in der Urologie eröffnen.
Alle diese positiven Erfahrungen und Auswertungen haben uns zu der Erkenntnis gelangen lassen, dass interprofessionelle Lehre nicht dem Zufall und einem Projekt überlassen werden kann, sondern dass es regulär in die Lehrpläne und damit curricular verankert gehört. Und das in der theoretischen und praktische Ausbildung.
Worin unterscheidet sich das interprofessionelle Longitudinalcurriculum von Curricula anderer (medizinischer) Universitäten / Hochschulen oder Schulen für Gesundheitsberufe in Deutschland
Das kann ich gar nicht vollständig beantworten, da ich wenig Wissen über andere Institutionen zu ein interprofessionellen Curricula habe. Ich glaube insgesamt sind curriculare Verankerung der interprofessionellen Lehre in Deutschland noch rudimentär. Es gibt sehr viele hervorragende Projekte und fakultative Angebote an vielen Hochschulen und Schulen, jedoch ein regelhaftes curriculares Longitudinalcurriculum mit dem Medizinstudium und der Pflegeausbildung/-studium ist mir tatsächlich bisher nicht bekannt. Andere Studiengänge der Gesundheitsberufe verbinden sich zunehmend, so gibt es inzwischen Vernetzungen zwischen Gesundheitsberufen und sozialwissenschaftlichen Studiengängen, die an derselben Hochschule angesiedelt sind. Ich denke, es gibt hier bestimmt Entwicklungen, die aber tatsächlich bisher wenig publik sind.
Gesundheitspolitische Gremien fordern in Deutschland in der primär qualifizierenden Ausbildung seit Jahren die Lehre zum Erwerb von Kompetenzen in der interprofessionellen Zusammenarbeit.
Impulse zur Einführung des Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) mit den kanadischen CanMED-Rollen soll die interprofessionelle Zusammenarbeit in das Medizinstudium etablieren.
Neue Lehrpläne in den Gesundheitsberufen haben in den curricularen Einheiten interprofessionelle Lehre integriert. Dies zeigt sich z.B. im neuen Pflegeberufegesetz für die Generalistische Pflegeausbildung, in der die „Kompetenz III Intra- und Interprofessionelles Handeln in unterschiedlichen systemischen Kontexten verantwortlich gestalten und mitgestalten” explizit erwähnt wird. Dies ist nicht nur ein Lehr-, sondern auch ein Prüfungsinhalt der staatlichen Abschlussprüfung der bundesweiten neuen Pflegeausbildung.
Meine und unsere Erfahrungen zeigen jedoch, dass die Umsetzung zum Erwerb beruflicher interprofessioneller Handlungskompetenzen sehr stark vom Verständnis, Wissen und der Haltung der Bildungsinstitutionen und Lehrenden zum Thema „Interprofessionelle Lehre” abhängt.
Interprofessionelle Lehre bedeutet für die einen „ich erzähle im mono professionellen Unterricht oder Vorlesung etwas über den anderen Beruf” oder „wir gestalten gemeinsame Vorlesungen für mindestens zwei Berufsgruppen im Hörsaal” oder „die Vorlesung/der Unterricht wird von einem Lehrenden einer anderen Profession unterrichtet”. All’ dies kann man als interprofessionellen Kompetenzerwerb sehen, die pädagogischen Welten und das interprofessionelle Lehrverständnis gehen hier weit auseinander.
Wir in Nürnberg haben uns entschieden, dass für uns „interprofessionelle Lehre” bedeutet, dass wir gemeinsam in einem Lehrteam mit mindestens zwei Lehrenden verschiedener Professionen unterrichten und dass die Lehrveranstaltungen als praxisorientierte, realitätsnahe Seminare mit gemeinsamen Aktionen (Simulation, Skills-Training, Übungen, Fallbesprechungen,…) gestaltet werden müssen. Wir wollen, dass die Teilnehmer des Seminars in Austausch mit den anderen Lernenden kommen und Gemeinsamkeiten, Unterschiede, Schnittstellen und professionsbezogenen Inhalte erfahren, üben und erlernen. Das interprofessionelle Lehrteam stellt in ihrem Umgang mit gemeinsamer Lehre ein erstes „role model für interprofessionelle Zusammenarbeit” dar.
Wer sich mit Lernforschung beschäftigt hat kennt sicherlich das bereits in den 80-er Jahren von Morgan McCall, Robert Eichinger und Michael Lombardo am amerikanischen Center for Creative Leadership entwickelte Modell 70-20-10 und weiß damit, dass nur 10% der Wissensvermittlung rein theoretischer Lehre, z.B. als Vorlesung langfristig gespeichert ist. Warum vermitteln wir interprofessionelle Zusammenarbeit in Hörsaal-Vorlesungen? Je praxisorientierter und realitätsnäher, umso besser.
Welche Rolle spielten die Studierenden bei der Entwicklung des Curriculums?
In der Primärphase wurden u.a. die Medizinstudierenden und Pflegeauszubildenden in die Befragung zur Priorisierung der Themen einbezogen. Die Themenauswahl unserer heutigen sieben interprofessionellen Lehrveranstaltungen ist auch ein Ergebnis der Lernenden. Bei Neukonzeptionen fragen wir das Interesse der Studierenden ab.
Teilweise sind Tutoren höherer Semester in den IPE-Lehrveranstaltungen als Tutoren und Simulationspatienten integriert und geben uns Rückmeldungen aus Sicht der Lernenden.
Lassen Sie mich dies an einem Beispiel erläutern. Medizinstudierende im 4. Jahr können in der PMU ein Wahlpflichtfach „Interprofessionelle Notfallmedizin” belegen und im Rahmen dieser Lehrveranstaltung sind sie in der IPE-Lehrveranstaltung Notfallversorgung im 1. Jahr als Tutoren im Debriefing eingesetzt. Die Rückmeldung zu diesem Lernformat ist durchgehend hervorragend.
Die Möglichkeit, bereits als Studierender höheres Semester Wissen weiterzugeben, verfestigt die fachlichen Notfallkompetenzen, trägt aber auch zur Kompetenzentwicklung weiterer Kompetenzen wie Feedback-, Reflektion-, Empathiefähigkeit u.s.w. bei.
Die mitwirkenden Tutoren beteiligen sich, wie jeder Lehrende, an der Evaluation der Lehrveranstaltung und die Stimme hat dieselbe Gewichtung. Das Ergebnis aller Beteiligten, einschließlich der Studierenden, fließt in die kontinuierliche Qualitätsentwicklung unserer Lehrveranstaltungen ein.
Gab es Unterschiede in der Auffassung des neuen Curriculums zwischen den verschiedenen Berufsgruppen/Studiengängen.
Ja, klar gab es diese und gibt es auch immer noch. Tatsächlich sind wir in unseren Curriculum Entwicklungen schon weit gekommen. Aber ein Curriculums Prozess ist nie beendet und immer auch ein interprofessioneller Prozess mit Diskussionen und Kompromissen.
Ich staune immer darüber, wenn Lehrende mir mitteilen: „Wenn wir mal unsere Curriculumsarbeit geschafft haben, dann haben wir Zeit!”. Welche Gedankenwelt steckt dahinter? In einer Arbeits- und Lernwelt, die immer schneller wird, müssen wir lernen, mit ständig veränderndem Wissen umzugehen, da bleibt die Lehre nicht stehen, sondern wird sich stets weiter drehen. Wir sind in einem sich ständig ändernden Transformationsprozess und wer heute davon ausgeht, dass die Entwicklungen von Curricula nicht kontinuierlich adaptiert werden müssen, der lebt in einer anderen Welt. Was wir bereits heute im 1. Semester vermitteln, kann zum Ende des Studiums bereits überholt sein. Das sehen wir an den aktuellen technologischen Entwicklungen z.B. im Bereich der KI im Gesundheitswesen.
Rahmenlehrpläne der Ausbildungen und Studiengänge sind mehr oder weniger eng und bestimmend und dies bedeutet bei jeder Neukonzeption ein Aushandeln über die Verfügbarkeit von Stunden und welches die wichtigsten gemeinsamen Inhalte interprofessioneller Lehre sein sollen.
Was waren die größten Herausforderungen bei der Einführung eines interprofessionellen Curriculums?
Es gibt eine Vielzahl an Herausforderungen, deren ich mir beim Beginn meiner Tätigkeit als IPE-Referentin noch nicht bewusst war. Was vielleicht auch gut war, sonst hätte ich mich nicht auf diese fordernde, aber auch zukunftsorientierte Aufgabe eingelassen.
Eine große Herausforderung stellen unterschiedliche Bildungsinstitutionen mit ihren Regularien, gesetzlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen dar. Universitäten, Hochschulen und Berufsschulen haben eine sehr unterschiedliche Bildungsstruktur. Wir arbeiten mit der PMU, einer privaten Universität mit Sitz in Österreich, einer deutschen Fachhochschule und einer bayerischen Berufsfachschule zusammen. “Die Zusammenarbeit mit so unterschiedlichen Bildungseinrichtungen stellt eine große Herausforderung dar. Jede Institution bringt ihre eigenen Strukturen, Regeln und Prozesse mit. Das macht die Koordination komplex und erfordert viel Flexibilität. Wer im Bildungsbereich tätig ist, kennt diese Herausforderung nur zu gut. Die interprofessionelle Zusammenarbeit multipliziert diese Komplexität fast noch einmal, da wir es hier mit einer dreifachen Herausforderung zu tun haben: unterschiedliche Institutionen, unterschiedliche Professionen und oft auch unterschiedliche Lernkulturen.”
Das Bildungsverständnis der leitungsverantwortlichen Personen benötigt ein Verständnis für die anderen Bereiche. D.h. wir benötigen bereits bei den Führungskräften der Bildungseinrichtung ein Commitment und Bereitschaft gemeinsame Entwicklung zu wollen und zu tragen. Dies gelingt nur, wenn alle kompromissbereit sind und Abstriche Ihres bisher siloartigen Lernens neu denken.
Ich möchte ein paar Punkte und „hörbare Aspekte” herausgreifen, da die gesamten Herausforderungen sehr umfangreich sind:
„Freiheit der Lehre”, „keine Stunden”, „nur wenn dieses Thema”,…
„nach xx Uhr kein Unterricht”, „keine Lehrende”, „Ferien berücksichtigen”,…
„kein Raum zur Verfügung”, „unterschiedliche IT-Systeme”,…
„unterschiedliches Wissen”, „unterschiedliche sprachliche Kompetenzen”,…
„Unmengen an Informationen” oder „keine Informationen”,… u.s.w.
Über die Identifikation mit interprofessioneller Lehre und den Herausforderungen der Implementierung könnte man einen eigenen Blog gestalten. Das Thema ist umfangreich.
Und trotzdem möchte ich betonen, trotz aller Unwägbarkeiten und Herausforderungen sehe ich meine Tätigkeit als bereichernd an und freue mich, dass ich an diesem Platz sein darf. Dem Klinikum Nürnberg gilt hier der Dank, diese Stelle zu finanzieren, dies ist in Deutschland sicherlich ein außergewöhnlicher Einsatz für die Lehre. Stellen im Bereich der interprofessionellen Lehre sind, wenn überhaupt, in der Regel als wissenschaftliche Stellen bei den Universitäten angesiedelt.
Wie wird der Erfolg des Curriculums evaluiert? Welche Kriterien werden dafür herangezogen?
In den ersten Jahren haben wir den UWE-IP als Fragebogen eingesetzt. Für umfangreiche wissenschaftliche Forschungen und wissenschaftliches Personal fehlen uns notwendige Forschungsgelder. Tatsächlich gäbe es interessante Aspekte zu untersuchen.
Inzwischen nutzen wir unseren eigenen Evaluationsbogen zur internen Qualitätsverbesserung unserer Lehrveranstaltungen. Wir fragen nach Kriterien aus dem Bereich der Inhalte, der Zufriedenheit, dem Nutzen für interprofessionelles Lernen, u.v.m. Jede IPE-Lehrveranstaltung wird mittels QR-Code direkt nach der Veranstaltung von den Teilnehmern, den Lehrenden, den Simulationspersonen und ggf. den Tutoren via netigate beantwortet und ausgewertet. Als digitales Tool bietet es uns eine optimale und effiziente Anwendung.
Die Evaluationsergebnisse werden sehr offen in der Arbeitsgruppe Interprofessionalität, mit den IPE-Lehrverantwortlichen und den Lehrenden besprochen, danach analysiert und Entscheidungen für evt. qualitätsverbessernde Veränderungen getroffen.
Inwiefern hat sich das Kommunikationstraining verändert seitdem Sie den Fokus auf Interprofessionelle Kommunikation legen ? Haben Sie ein konkretes Beispiel, wie der Unterricht in der Praxis aussieht?
Die interprofessionelle Kommunikation stellt eine der vier IPEC-Grundkompetenzen der interprofessionellen Zusammenarbeit dar. Letztlich finden sich in allen IPE-Lehrveranstaltungen kommunikative Lernziele. Kommunikation, Teamarbeit, Werte und Haltungen sowie berufliche Identität und Verantwortung sind immer die zentralen Lernziele aller IPE-Lehrveranstaltungen.
Die Anamnese und Übergabe ist sicherlich vielen ein bekanntes interprofessionelles Thema. Bei der Anamnese erarbeiten die Teilnehmer erst die monoprofessionelle Anamnese und im zweiten Schritt die interprofessionelle Anamnese. Dies geschieht mit zwei Simulationstrainings. Im dritten Schritt werden dann die Vor- und Nachteile beider Anamnese-Möglichkeiten thematisiert um dann zum Schluss zu klären in welchen realen Alltagssituationen und Fällen sich eine interprofessionelle Anamnese anbietet und warum auch Entscheidungen für monoprofessionelle Anamnesen getroffen werden. Wir wollen hier nicht mit falsch und richtig arbeiten oder nur interprofessionell vermitteln ist richtig.
Das Lernziel ist es, die Teilnehmenden zu informieren und zu sensibilisieren, wann sie in ihrem späteren interprofessionellen Arbeitsumfeld welche Entscheidung bewusst treffen und diese ggf. auch mit Argumenten belegen können. Eine mögliche Erkenntnis – als Arzt und Pflegeperson in der Palliativversorgung führen wir eine interprofessionelle Anamnese durch, weil dies für den Patienten weniger belastend ist und beide Berufsgruppen dieselben Informationen bekommen.
Oder ein zweites Beispiel beim Simulationstraining Notfallversorgung ging es um die Versorgung einer bewusstlosen Person in einem Krankenhaus -Flur, weit entfernt von der Station. Ein Medizinstudent und ein Pflege-Auszubildender waren die Ersteintreffenden und mussten agieren. Die Medizinstudierende hat sofort mit der Untersuchung begonnen und die Pfleg- Auszubildende beauftragt zu telefonieren. Innerhalb von ein paar Minuten stellte sich heraus, dass die Pflege-Auszubildende aufgrund von Sprachschwierigkeiten und Ängsten sich zu blamieren nicht in der Lage war, adäquat zu telefonieren. Die Medizinstudierende wusste auch nicht weiter, die beiden haben keinen Notruf abgesetzt.
Dieses Thema wird im Debriefing dann besprochen, da eine vergleichbare Situation im realen Arbeitsumfeld ebenfalls auftreten kann. Hier steht nicht allein die Erste Hilfe bei einer bewusstlosen Person im Vordergrund, sondern wie kann das individuelle interprofessionelle Team miteinander handeln, um eine sichere Patientenversorgung zu gewährleisten.
Genau solche Situationen prägen die interprofessionelle Lehre, da wir ein Stück Realitätsnähe schaffen und nicht nur lehrbuchmäßig die Seite Notfall Bewusstlosigkeit auf einer Folie in der Vorlesung präsentieren.
Welche Rolle spielt die Simulation in der interprofessionellen Ausbildung?
Eine sehr große.
Wie bereits weiter oben erwähnt, wäre der praktische Handlungsort (Klinikum, Pflegeheim, ambulante Versorgung,…) direkt am Patienten die idealste Lernsituation. Ca. 70% des langfristigen Lernens erfolgt dort. Dieses Umfeld nutzen wir im K-PJ und im Praxiseinsatz auf der interprofessionellen Ausbildungsstation. Für die theoretische Lehre versuchen wir deshalb möglichst realitätsnahe Settings abzubilden. Dies gelingt besonders gut mit geschulten Simulation Personen und dem Einsatz realer Kurven und Unterlagen.
Der personelle, organisatorische und finanzielle Aufwand für diese Lernmethode ist sehr hoch und deshalb müssen wir mit dem Kompromiss leben, dass nicht alle Teilnehmenden in die agierende Rolle kommen, sondern ein Großteil nur den Beobachtungsauftrag hat.
Die Studierenden melden uns hier auch zurück, dass sie gerne öfter und in kleineren Gruppen üben möchten.
Wie wird den Studierenden Feedback zu ihren Kommunikationsfähigkeiten gegeben?
Wir arbeiten mit den konstruktiven Feedback Methoden, welche wir in den ersten Lehrveranstaltungen auch inhaltlich bearbeiten. Dabei wird besprochen, wie man Feedback an andere gibt, aber auch wie man mit Feedback, welches man von anderen bekommt, umgeht.
Während der Simulation haben die Nicht-Agierenden eine Beobachterrolle. Je nach Lehrveranstaltung gibt es unterschiedliche Beobachtungsaufträge und einsetzbare Checklisten für die Beobachtenden.
Jedes Simulationstraining wird mit einem Debriefing oder einem Feedback aufgearbeitet. In der Regel findet dies in einer 3-gliedrigen Form statt, d.h. zunächst gibt der Protagonist (spielende Medizinstudent und/oder Pflege-Auszubildende), danach der Patient (spielende Simulationspatient) und dann die Beobachter ihr Feedback. Das IPE-Lehrteam moderiert das Debriefing und führt die Gruppe zum Erlernen der situationsbezogenen Handlungskompetenz. Dabei sind die Kommunikationskompetenzen ein wichtiges Rückmelde-Kriterium von vielen anderen.
Diese Form des Feedbacks erfordert von den Lehrenden eine hohe Flexibilität und Spontanität, da sie im Vorfeld nicht genau die Entwicklungen der Simulation kennen und sehr situationsbezogen zum Lernerfolg führen müssen. Mal steht das Thema interprofessionelle Kommunikation im Vordergrund, ein anderes Mal ist es die berufliche Rolle und die Verantwortung. Dies bedeutet auch, dass die Lehrende im fachlichen Bereich über ausreichend Expertise und Sicherheit verfügen sollten, um dann doch sehr individuell in der jeweiligen Handlung agieren zu können.